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Heinz Siggemann

Heinz Siggemann (*1917 – †1945)

Am 5. September 1917 wird Heinz Siggemann als Sohn eines Drahtzieher-Meisters und einer Lehrerin in Kamen geboren. Er wächst in Hamm auf, wechselt nach der Grundschulzeit auf die Graf-Adolf-von-der-Mark-Schule und wird Schüler von Theo Hölscher, der ihn grundlegend beeinflusst und fördert.

Schon als Kind weist Heinz Siggemann außerordentliches malerisches Talent auf. Von seinem spärlichen Taschengeld kauft er sich Bleistifte und beginnt bereits in der Volksschule zu zeichnen. Seine Bildnisse als 12- und 14-jähriger zeigen einen „hohen Wirklichkeitssinn“. Später zieren Porträts seiner Lehrer und Mitschüler die Klassenhefte der Gymnasialzeit und erregen auch die Aufmerksamkeit von Lehrern und Schuldirektion. Sein Kunstlehrer und Förderer, der Maler Theo Hölscher, ermutigt ihn, an Mal-Wettbewerben teilzunehmen. Zwei seiner Werke, ein Scherenschnitt und eine Zeichnung werden prämiert, in der Lokalzeitung veröffentlicht und Hamm feiert den jungen Schüler als großes Talent ihrer Stadt.

Das Interesse des jungen Siggemann an der Kunst und anderen Künstlern ist groß. Mit gerade einmal 15 Jahren fährt er zusammen mit seinem Vetter Theo Kefenbaum in den Sommerschulferien 1933 mit dem Fahrrad nach Worpswede bei Bremen, um sich das damals neu eröffnete Paula-Modersohn-Becker-Haus mit seiner Gemäldesammlung anzusehen. Tief beeindruckt von der expressionistischen Formensprache der deutschen Malerin kehrt er zurück und reist ein Jahr später ein zweites Mal dorthin.

Auf Drängen Theo Hölschers zieht es den jungen Heinz Siggemann an die Akademie in Berlin. Nach dem zunächst erfolglosen Versuch, die Eltern von einem Kunststudium zu überzeugen, schickt Hölscher – ohne Wissen der Eltern – Arbeiten seines jungen Schülers an die Akademie in Berlin und bereits kurze Zeit später, am 1. April 1935, wird dieser von der Preußischen Akademie der Künste zum „Probekurs für die Abteilung ‚freie Kunst‘“ eingeladen. Er ist damals 17 Jahre alt.

Mit einem Möbeltransporter und kaum Geld in der Tasche fährt der Schüler in die Hauptstadt und wird nach erfolgreicher Absolvierung des Probekurses in die Berliner Akademie aufgenommen.
Seine Prima-Reife erwirbt er in Absprache mit dem Hammer Gymnasium vorzeitig mit 17 Jahren und erhält am 28. März 1935 sein Abschlusszeugnis. Bereits ein halbes Jahr später ist er Meisterschüler von Prof. Franz Eichhorst.
Wiederholte Aufforderungen durch Kommilitonen, Mitglied im ‚Nationalsozialistischen deutschen Studentenbund‘ zu werden, lehnt der junge Siggemann vehement ab. Als Sohn einer sozialdemokratisch geprägten Familie – schon sein Vater war ein überzeugter SPD-Wähler – steht er dem aufkeimenden nationalsozialistischen Gedankengut des Studentenbundes äußerst kritisch gegenüber.

In Berlin geht für den frisch gebackenen Studenten ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Er lernt die Künstlerin Käthe Kollwitz kennen. Schon als Knabe hegt er eine schwärmerische Bewunderung für die pazifistische und engagierte Frau, die 1933 auf Betreiben der Nationalsozialisten ihre Professur an der Berliner Akademie verliert und zwangsentlassen wird. Trotz der politischen Unruhen und den von den Nationalsozialisten verhängten offiziellen Ausstellungsverbot der Künstlerin – 1936 werden ihre zur Berliner Akademieausstellung eingereichten Exponate einen Tag vor Eröffnung der Ausstellung entfernt – hinterlassen ihre von einem unverblümten Realismus geprägten Werke, in denen sie Krieg, Not, Hunger und das Elend der Arbeiter thematisiert, einen tiefen Eindruck auf den jungen Maler. Auch Käthe Kollwitz ist vom Talent des jungen Studenten beeindruckt und bittet Heinz Siggemann um eine Arbeit. Im Gegenzug erhält er ein Blatt („Der Weberzug“) aus ihrem wohl bekanntesten Grafikzyklus „Ein Weberaufstand“.

Die meisten seiner Porträts schafft der junge Westfale während seiner Studienzeit. Modelle gibt es etliche, die sich auf diese Weise an der Berliner Kunstakademie ein Zubrot verdienen. 1937 und 1938 entstehen die beiden Kohlezeichnungen „Der Spökenkieker“ und das „Frauenbildnis“. Aus der gleichen Zeit stammen auch „Der Schäfer“ (Ölbild), sowie mehrere Frauen- und Putten-Köpfe.

1937 fährt er mit dem Fahrrad nach Paris um sich die Kunstsammlungen der großen Museen und die Weltausstellung anzuschauen (Postkarte und Legitimation). In den Semesterferien des gleichen Jahres lädt ihn Professor Eichhorst nach Matrei in Osttirol ein. Dort entstehen Porträts von Bäuerinnen und Landschaften. Auf der Heimreise machte er in München Station, um die Stadt kennenzulernen und sich mit Theo Hölscher im Haus der Kunst zu treffen. (Postkarte an T. H.).

Noch im gleichen Jahr wird er zum Wehrdienst berufen, dann aber auf Initiative der Akademie für zwei Jahre freigestellt, um sein Studium fortzusetzen. Im Herbst 1938 reist er in die Künstlerkolonie Nidden in Litauen an der Ostsee, in der sich bis zum Ausbruch des Krieges bedeutende expressionistische Maler wie Max Pechstein, Lovis Corinth, Karl Schmidt-Rottluff, aber auch Schriftsteller wie Thomas Mann treffen. Auch Heinz Siggemann lässt sich von der einzigartigen von Haff und Ostsee geprägten Natur inspirieren und schafft dort mehrere Aquarelle.

1940 wird er als Soldat eingezogen und zunächst nach Frankreich, später nach Russland geschickt. Nach 4 Jahren kehrt er verwundet zurück und verbringt zunächst einige Zeit in einem Lazarett bei Herford (Foto aus Lazarett). Aus dem selbst erlebten Elend und der Verzweiflung der Soldatenkameraden im Rußland-Einsatz entsteht die Idee zu dem monumentalen Ölgemälde „Die Kampfpause“. Nach dem Lazarettaufenthalt und einer weiteren Freistellung vom Wehrdienst kann er 1944 seine künstlerische Arbeit fortsetzen und schafft zunächst eine Reihe von Pastell-Skizzen und einzelnen Studien, die als Vorarbeit dienen. Danach folgt die Endfassung in Öl, die sich heute im Gustav-Lübke-Museum in Hamm befindet.

Kurz nach Fertigstellung wird das Bild nach München geschickt und von Adolph Hitler begutachtet. Er tadelt das Gemälde als ‚lustlos‘ und rügt den fehlenden Kampfesgeist der Soldaten. Dem Hinweis, das Bild noch einmal zu überarbeiten, kommt Heinz Siggemann nicht nach – zu sehr sind ihm die grausamen Kriegserlebnisse und die Realität des Schützengrabens im Gedächtnis verankert. Trotzdem wird er für ein weiteres Jahr vom Kriegsdienst befreit und übersiedelt, nachdem Teile der Akademie durch einen Bombenangriff zerstört sind, auf Einladung von Professor Franz Eichhorst in dessen Atelier im osttirolischen Matrei. Hier entstehen u. a. 1944 die „Bäuerin mit Huhn“ und der „Bauernjunge“.

Bereits im Frühjahr 1943 richtet ihm das Gustav-Lübcke Museum in Hamm gemeinsam mit dem Maler Heinz Wittler (*1918 Heeren-Werve/ Kamen – †2004 Worpswede) eine erste Ausstellung aus. Als Wanderausstellung ist sie im Anschluss ab dem 25. Juli 1943 auch im Landesmuseum Münster zu sehen und wird von der Presse überaus positiv rezensiert.
Bei seinen häufigen Besuchen in der Heimatstadt schließt Siggemann Freundschaft mit anderen regionalen Künstlern, so den Malern Max Schulze-Sölde und Hans Kaiser, den Bildhauern Eberhard Viegener und Fritz Heitsch sowie dem Bildhauer und Maler Lutz Ante. Befreundete Mediziner wie Dr. Werner Weber und Dr. Wilhelm Heyn ermöglichen ihm in dieser Zeit auch anatomische Studien.

Eine Professur in Berlin lehnt der junge Siggemann ab und plant stattdessen seine endgültige Rückkehr nach Hamm. Hier schmiedet er 1945 Pläne für ein neues Atelier in der Lippe-Aue nahe Schloss Oberwerries und beauftragt einen Architekten mit den Plänen für den Bau. Finanziert werden soll das Bauvorhaben durch den Verkauf des Bildes „Bauernjunge“ an die Apotheke Höveler aus Aalen.
Unmittelbar nach Kriegsende übernimmt er hochmotiviert den Kunstkreis Hamm mit dem Ziel, vor allem den Künstlern der Region, die aus politischen Gründen mit einem Ausstellungsverbot belegt waren, wieder eine Plattform zu geben. Zur Erfüllung dieser Aufgaben und Tätigkeiten auch außerhalb Hamms beantragt er am 8. August 1945 ein Motorrad (Brief an Militärregierung), welches von den britischen Besatzungskräften genehmigt wird. Nur wenige Tage danach, am 18. August 1945 erleidet er unverschuldet einen schweren Motoradunfall und erliegt einen Tag später, am 19. August 1945 seinen schweren Verletzungen.

Der Hammer Bürgermeister und Baurat Emil Haarmann sowie der derzeitige Museumsdirektor Dr. Zink planen daraufhin einen Gedächtnisraum für Heinz Siggemann einzurichten. Seine Freunde, der Maler Hans Kaiser, Dr. W. Weber und Dr. W. Heyn organisieren am 21. August 1945 eine Gedächtnisausstellung im Hammer Knappschaftskrankenhaus, da das Hammer Gustav-Lübcke-Museum durch Bombenangriffe zerstört ist. Ein Jahr später findet am 6. Oktober 1946 eine Ausstellung seiner Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm statt.

 

Heinz Siggemann (*1917 – †1945)

Heinz Siggemann is born in Kamen on the 5th of September 1917, as the son of a wiredrawer master and a school mistress. He grows up in Hamm, he attends the Graf-Adolf-von-der-Mark-School after the primary school years and becomes student of Theo H�lscher, who promotes and influences him fundamentally.

Heinz Siggemann’s extraordinary talent as a painter emerges already when he is a child. He starts to draw in the elementary school, buying pencils from his scanty pocket money. His portraits as a 12- and 14-year-old already denote a “high sense of reality”. Later on, portraits of his teachers and fellow students adorn his exercise books at the secondary school and also attract the attention of teachers and school management. His art teacher and promoter, the painter Theo Hölscher, encourages him to take part in painting competitions. Two of his works, a silhouette and a drawing, are awarded prizes and published in the local newspaper and Hamm celebrates the young student as a great talent of the city.

The interest of the young Siggemann in art and other artists is great. He is only 15 years old when he rides along with his cousin Theo Kefenbaum during the summer school holidays 1933 by bike to Worpswede near Bremen, to see the then newly opened Paula-Modersohn-Becker-Haus with its collection of paintings. He is deeply impressed by the expressionist form language of the German paintress, and travels a second time to Worpswede, just a year later.

At the insistence of Theo Hölscher, the young Heinz Siggemann turns to the Academy in Berlin. After the first unsuccessful attempt to convince the parents of studying art, Hölscher sends – without the knowledge of the parents – works of his young student to the Art Academy of Berlin and a short time later, on the 1st of April 1935, the Prussian Academy of Arts invites Siggemann to the ‘test course for the division “free art”’. He is 17 at the time.

On board of a furniture van and with hardly any money in his pocket, the student travels to the capital city and is accepted by the Berlin Academy after the successful completion of the test course.

In consultation with the Hamm high school, he acquires his “Prima” degree prematurely at the age 17 and receives his graduation certificate on March 28, 1935. Only six months later, he is master student of Prof. Franz Eichhorst.

The young Siggemann rejects vehemently repeated calls by fellow students, to become a member of the ‘National Socialist German Students’ Alliance’. As the son of a social democratic family – his father was a convinced Social Democrat voter – he is extremely critical of the burgeoning National Socialist ideology of the student alliance.

In Berlin, a long-cherished wish comes true for the newly minted student. He meets the artist Käthe Kollwitz. Since he is a boy, he harbours an enthusiastic admiration for the pacifist and committed woman, who in 1933 – on the instigation of the Nazis – loses her professorship at the Berlin Academy and is forcibly dismissed. Despite the political unrest and the official exhibition ban of the artist imposed by the Nazis – in 1936, the exhibits she submits for the Berlin Academy exhibition are removed a day before the opening of the exhibition – her works, dominated by a blunt realism, in which she thematises war, poverty, hunger and the misery of the workers, leave a deep impression on the young painter. Also Käthe Kollwitz is impressed by the talent of the young student and asks Heinz Siggemann for a work. In return, he receives a sheet („Der Weberzug“) from her probably best-known graphic cycle “A Weavers‘ Revolt”.

The young Westphalian creates most of his portraits during his student days. There are many people who model at the Berlin Academy of Arts to earn some extra money. In 1937 and 1938 Heinz Siggemann creates the two charcoal drawings „Der Spökenkieker“ (“The Spectre Seer”) and „Frauenbildnis“ (“Portrait of a Woman”). Also the oil painting „Der Schäfer“ (“The Shepherd”), as well as several women and cherub portraits are from the same period.

In 1937, he rides by bicycle to Paris, to see the art collections of the major museums and the World Exhibition (see Postcard and Legitimization). During the semester break of the same year, Professor Eichhorst invites him to Matrei in East Tyrol. There he produces portraits of peasant women and landscapes. On the way home he makes a stopover in Munich to explore the city and to meet Theo Hölscher in the Haus der Kunst. (see Postcard to T.H.)

In the same year he is called up for military service, but, on the initiative of the Academy, is then released for 2 years to continue his studies. In autumn 1938 he travels to the Nida Artists’ Colony in Lithuania on the Baltic Sea, where important expressionist painters like Max Pechstein, Lovis Corinth, Karl Schmidt-Rottluff, but also writers such as Thomas Mann met until the outbreak of the war. Heinz Siggemann, too, is inspired by the unique landscape characterized by the Lagoon and the Baltic Sea – which it witnessed by several watercolours.

In 1940, he is called to the arms and is first sent to France and later to Russia. He returns after 4 years – wounded – and spends first some time in a military hospital near Herford (photo from the military hospital). From his own experience of misery and the despair of his fellow soldiers during the Russian operation springs the idea for the monumental oil painting „Die Kampfpause“ (“The Lull in the Fighting”). In 1944, after the military hospital stay and a further exemption from the military service, he can finally pursue his artistic work, creating first a series of pastel sketches and individual studies which serve as preliminary work for the final version in oil, which is today in the Gustav-Lübcke-Museum in Hamm.

Shortly after the completion, the painting is sent to Munich where it is examined by Adolph Hitler. He criticizes the painting as ‘listless’ and objurgates the lacking fighting spirit of the soldiers. Heinz Siggemann does not follow the instruction to revise the image – the cruel war experiences and the reality of the trenches are too deeply anchored in his memory. Nevertheless, he is freed for another year from the military service and moves – after parts of the Academy have destroyed by a bomb attack – on the invitation of Professor Franz Eichhorst to the studio of the latter in Matrei, East Tyrol. This is where he paints in 1944, inter alia, the „Bäuerin mit Huhn“ (“Peasant Woman with Chicken”) and the „Bauernjunge“ (“Peasant Boy”).

Already in the spring of 1943, the Gustav-Lübcke-Museum in Hamm organizes a first exhibition for him and the painter Heinz Wittler (*1918 Heeren-Werve / Kamen – †2004 Worpswede). From the 25th of July 1943 onwards, it can then be seen as a travelling exhibition in the Landesmuseum (State Museum) of Münster and is reviewed very positively by the press.

During his frequent visits to his hometown, Siggemann becomes friends with other regional artists, such the painters Max Schulze-Sölde and Hans Kaiser, the sculptors Eberhard Viegener and Fritz Heitsch as well as the sculptor and painter Lutz Ante. At that time, befriended physicians such as Dr. Werner Weber and Dr. Wilhelm Heyn enable him to make anatomical studies.

He is offered a professorship in Berlin, which he turns down as he is planning to return definitely to his hometown. In 1945, he makes plans for a new studio in the floodplain of the river Lippe, near Schloss Oberwerries and commissions an architect to make designs for the construction. The building project is to be financed by the sale of the painting „Bauernjunge“ (“Peasant Boy”) to the pharmacy Höveler in Aalen.

Immediately after the war he takes over the Kunstkreis Hamm (Artist Circle of Hamm), highly motivated and with the primary aim to give a platform to those artists of the region who for political reasons had been banned from exhibitions. To perform these tasks and activities also outside of Hamm, on the 8th of August 1945, he requests a motorcycle (Letter to the Military Government), the request is approved by the British occupation forces. Only a few days later, on the 18th of August 1945, he has through no fault a serious motorcycle accident and succumbs one day later, on the 19th of August 1945, only 28 years old, to his injuries.

The Building Officer and Mayor of Hamm, Emil Haarmann, as well as the then museum director Dr. Zink plan to set up a room commemorating Heinz Siggemann. On the 21st of August 1945, his friends, the painter Hans Kaiser, Dr. W. Weber and Dr. W. Heyn organize a memorial exhibition in the Knappschaftskrankenhaus (Miners’ Hospital) in Hamm, as the Gustav-Lübcke-Museum has been destroyed by bombing. A year later, on October 6, 1946, the Gustav-Lübcke-Museum organizes an exhibition of his paintings, watercolours and drawings in Hamm.